Mit der großen Bazooka hat die Bundesregierung eine Reihe von Soforthilfen beschlossen. Doch nach der ersten Erleichterung wurden vor allem Freiberufler*innen, Soloselbständigen und Künstler*innen klar, dass sie nicht so wirklich damit gemeint waren.
Innovationskraft nutzen und dann in der Krise hängen lassen?
Es musste schnell gehen. Das sieht man den meisten Maßnahmen und Soforthilfen an. An allen Ecken und Enden möchte fast nichts auf die reale Arbeits- und Lebenswelt der Menschen passen. Teilweise mit existenzbedrohenden Ausmaßen. Wer heute modern lebt und arbeitet, hat in der Krise das Nachsehen. Denn noch immer vertritt der Bund das Bild einer klassischen Wirtschaft, in der es vor allem nur Festangestellte und Arbeiter*innen zu geben scheint. Während über eine Erhöhung des Kurzarbeitergeldes diskutiert wird und “echte” Unternehmen Liquiditätshilfen beantragen können, weist der Finger für Freiberufler*innen und Künstler*innen oft nur auf die Grundsicherung. Im Kulturbereich schiebt der Bund den schwarzen Peter an die Länder weiter anstatt an einer gemeinsamen Lösung zu arbeiten. Das führt dazu, dass es für Kulturschaffende heute eine reine Frage des Wohnortes ist, ob sie Unterstützung bekommen oder nicht.
Grundsicherung und fehlende Liquiditätshilfen
Das Grundproblem von Soloselbständigen ist, dass sie alles in Personalunion sind. Die Liquiditätshilfen des Bundes helfen, Betriebskosten zu bezahlen, die oft gar nicht entstehen, sie dürfen aber nicht als Unternehmerlohn ausgezahlt werden, um Mieten, Lebensmittel und Versicherung zu bezahlen. Daher bleibt vielen gar nichts anderes übrig, als Grundsicherung zu beantragen. Leben sie in einem gemeinsamen Haushalt, so wird das Einkommen des*der Partner*in mit angerechnet. Im schlimmsten Fall fallen die Soloselbstständigen damit ganz aus dem Rettungsschirm.
Künstler*innen in Schleswig-Holstein können über den Landeskulturverband einmalig 500 Euro für ein Projekt erhalten. Dass dieses Geld ein Tropfen auf den heißen Stein ist, kann sich jede*r an fünf Fingern abzählen.
Zuschussprogramm nach Vorbild von Hamburg
In Hinblick auf die starke Wertschöpfung und Innovationskraft, die die Kultur- und Kreativszene in Kiel aber auch in ganz Schleswig-Holstein geleistet hat, ist es ein Unding, die Menschen jetzt hängen zu lassen. Daher sollte das Land ein Zuschussprogramm, ähnlich wie in Hamburg, einführen. Denn die Kultur- und Kreativszene ist eine wichtige Säule der Wirtschaft im Land und wird vor allem beim wirtschaftlichen Wiederaufbau gebraucht werden, genauso wie andere Sektoren.
In der nachfolgenden Ausführung möchte ich die Kultur und die Kreativwirtschaft trennen, um verschiedene Aspekte zu beleuchten. Mir ist aber bewusst, dass die Übergänge zwischen beiden Feldern fließend sind.
Kultur – Absolut systemrelevant
In der Krise ist Kultur Luxus, spricht der Experte und schaltet sich die nächste Netflix-Serie an. Wie weit würden wir tatsächlich mit den Beschränkungen kommen, wenn wir uns und unsere Kinder nicht mit Büchern, Musik, Filmen, Games und den digitalen Darbietungen von Schauspielern, Comedians, Vorleser*innen, Musker*innen usw. ablenken könnten? Während Pflegekräfte in den Krankenhäusern alles für das medizinische Überstehen der Coronakrise leisten, stärken Kulturschaffende die Geduld der Menschen und den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Und das teils komplett kostenlos.
Zudem werden es die Künstler*innen sein, die wesentlich zur kollektiven Verarbeitung dieser Krise in unserer Gesellschaft beitragen werden. Und auch in der schulischen und außerschulischen Kulturbildung sind diese Kunstschaffenden wichtig. Belohnt werden sie dafür mit einer Degradierung in die Grundsicherung. Zurecht sagen Künstler*innen, dass sie nicht arbeitslos sind, sondern nur einkommenslos. Es ist ein systemischer Fehler, den die Krise in den kulturellen aber auch sozialen Berufen deutlich macht. Den Künstler*innen muss jetzt geholfen und später grundsätzlich über die Art und Weise, wie wir systemrelevante Berufe bezahlen, diskutiert werden. Auch ein bedingungsloses Grundeinkommen für Kunstschaffende könnte hier eine gute Alternative sein.
Kreativwirtschaft – Innovationskraft schützen
Das gleiche gilt für die Kreativwirtschaft. Noch und nöcher hat man sich mit den Kreativen geschmückt, ihre Innovationskraft genutzt, zum Gründen animiert und sich als modernes Arbeitsland gegeben. Doch in der Krise scheint es nur noch Unternehmen und Angestellte zu geben. Bricht die Kreativwirtschaft weg, dann werden das Städte wie Berlin, Leipzig, aber auch Kiel deutlich zu spüren bekommen. Hamburg hat das erkannt und springt deswegen mit einem Zuschussprogramm ein, um Soloselbstständigen zu helfen und die eigene Kreativszene zu schützen. Denn beim wirtschaftlichen Wiederaufbau werden diese kreativen Kräfte und ihr unkonventionelle Querdenkertum gebraucht. Zumal sie auch von den Unternehmen im Design, in der Entwicklung, für das Marketing usw. dringend gebraucht werden. Von den vielen freien Mitarbeitenden in den Medienberufen ganz zu schweigen.
Mit einer Wirtschaftsleistung von 2,2 Milliarden Euro (Stand 2015) hat Schleswig-Holstein von der Kultur- und Kreativwirtschaft stark profitiert. Das Land zwischen den Meeren hat Gründungen, gerade von Frauen, stark vorangetrieben und sich die Förderung von modernen Arbeitsformen wie digitalen Nomaden und Freiberufler*innen auf die Fahnen geschrieben. Es wäre nur konsequent, für diese Menschen auch in der Krise da zu sein.