Die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein GmbH (FFHSH) stellte am Donnerstag die neuen Förderrichtlinien vor, die ab dem 1. April 2020 gelten werden. Neben positiven Nachrichten wie der Erhöhung der Einreichtermine sowie eine verpflichtende Erklärung zu Diversität und grünem Drehen verließen einige der anwesenden Filmschaffenden die Veranstaltung jedoch eher mit Sorgenfalten.
Diese Sorgen sind nicht ganz unbegründet, denn nach der Fusion der Hamburger mit der Schleswig-Holsteinischen Filmförderung vor elf Jahren haben die Filmschaffenden im Land vor allem eines erlebt. Hamburg ist ein Magnet, der alles in sein Stadtgebiet hineinzieht. Von positiven Effekten der Fusion sind beide Länder weiterhin meilenweit entfernt. Im Gegenteil hat vor allem SH verloren. Während der Hamburger Film das ehemalige Filmforum Schleswig-Holstein (Teil der Nordischen Filmtage Lübeck) immer mehr vereinnahmt, gibt es bis heute keinen Slot für Filme aus SH beim Hamburger Filmfest. Auch das für die Szene besonders wichtige Filmfest Schleswig-Holstein wurde im Sommer von der Filmförderung ohne Alternative Finanzierungsmöglichkeiten oder Unterstützung abgestoßen. Ein Besuch im Kulturministerium ergab, dass auch von Landesseite kein Interesse an der Weiterführung des Festivals bestand. Es war ein Antrag unserer Fraktion, der das Filmfest schließlich retten musste.
Mit den neuen Förderrichtlinien verlieren die Filmschaffenden SH erneut an Einfluss auf ihre eigene Förderung. Welche Effekte das auf die Filmszene, die sich vor allem in den letzten fünf Jahren stark entwickelt hat, und den kulturellen Film aus Schleswig-Holstein haben wird, werden die nächsten Jahre zeigen.
Mehr Geld für die Filmförderung: Knapp 16 Millionen sind im Topf
Wer sich die Struktur der Filmförderung ansieht, erkennt schnell, dass hier zwei sehr ungleiche Partnerinnen zusammengefügt wurden, denen man gegenseitig nicht unbedingt eine Schuld, aber durchaus gegenseitige Blindheit vorwerfen kann. Insgesamt besitzt die FFHSH durch die Aufstockung der Fördertöpfe durch die Stadt Hamburg nun knapp 16 Millionen Euro. Das Budget aus Schleswig-Holstein macht davon nur 1/16tel aus, also einen Bruchteil. Dieser Umstand wird immer wieder als Argument genutzt, um kritischen Filmschaffenden zu sagen, man müsse als SH kleine Brötchen backen, obwohl es sich um die eigenen Gelder handelt. Zudem besitzt Schleswig-Holstein nur einen einzigen Sitz im Aufsichtsrat der FFHSH, was die Einflussmöglichkeiten von vornherein ziemlich klein ausfallen lässt.
Das primäre Problem daran ist jedoch nicht, dass SH einen so kleinen Anteil hat, sondern dass – ähnlich wie bei der Kulturförderung im Allgemeinen – man nicht über ein bisschen Fördern hinaus will. Stattdessen versucht man die Pflicht für den Aufbau und die Förderung der eigenen Medienszene komplett in die Hamburger Hände zu schieben.
Hamburg dagegen hat eine bereits hochprofessionelle Filmbranche, bei der es nicht mehr darum geht, Unternehmen anzusiedeln und Strukturen zu schaffen. Hier geht es eher um Fragen, die Hamburg als Medienstandort betreffen, um internationale Kooperationen und den Wettbewerb auf der Ebene von nationalen und internationalen Kino- und Fernsehproduktionen. Genau darum macht es auch keinen Sinn, Hamburg dafür anzuklagen, das die Stadt die Strukturförderung für das Medienschaffen in Schleswig-Holstein vernachlässige. Diese ist originäre Aufgabe des Landes Schleswig-Holstein. Dennoch kann auch an Hamburg kritisiert werden, dass die Hansestadt keine Sensibilität für diese Problemlage entwickelt, was die Fehlentscheidung, schon jetzt eine Durchlässigkeit zwischen Hamburger und Schleswig-Holsteinischen Fördergremien zu schaffen, besonders gut unter Beweis stellt.
Der Schutzraum ist aufgelöst
Denn bisher durften Schleswig-Holsteiner zwar Hamburger Gelder beantragen, aber andersrum war die Beantragung von kultureller Filmförderung bei der Filmwerkstatt Kiel den Filmschaffenden im Lande vorbehalten. Hamburg agierte bisher quasi als Verwalterin der Fördergelder aus SH. Durch die Schaffung von vier neuen Gremien, von denen eines speziell für Kurzfilme und innovative Formate zuständig ist, ist diese Grenze nun aufgehoben. Das bereitet vielen Produzent*innen im Land Sorge, denn bisher waren diese vor allem als Kleinstproduktionen im Land unterwegs. In der neuen Form müssen sich jetzt diese Kleinstproduktionen mit den großen Produktionsfirmen messen. Der Geschäftsführer der FFHSH Helge Albers bestätigt an diesem Abend zwar, dass die Anträge entsprechend geclustert werden würden, damit auch genug Projekte aus Schleswig-Holstein zum Zuge kämen, jedoch stellt er in Zweifel, ob ein Filmprojekt ohne Produktionsfirma große Chancen auf einen Zuschlag hat. Gleichzeitig stellt er aber in Aussicht, dass sich großartige Projekte keine Sorgen machen müssten.
Übertragen bedeutet das, nimmt man als Bild zum Beispiel die Sozialpolitik, unterstellt diese Aussage, dass allein die Leistung der Filmschaffenden dafür sorge, dass alle die gleichen Chancen hätten. In der Sozialpolitik wissen wir aber, dass Menschen aus strukturschwächeren Gegenden eben nicht die gleichen Chancen auf berufliche Weiterentwicklung haben, wie Menschen aus Regionen, in denen die Strukturen vorhanden sind. Auch das Argument, dass allein die Leistung und das Talent reiche, um erfolgreich zu sein, ist schlichtweg falsch. Aus der Sozial- aber auch der Wirtschaftspolitik wissen wir, dass genau das nicht der ausschlaggebende Grund ist, sondern die oben genannten Umweltbedingungen stimmen müssen.
Durchlässigkeit ohne Strukturförderung: Ein gewagtes Experiment
Wenn Schleswig-Holstein nicht die Chance erhält, die Strukturen für eine professionelle und florierende Filmbranche zu schaffen – die wie hier ausgeführt auch für den Wirtschaftsstandort SH wichtig sind – dann haben die Antragsteller*innen aus dem Land von vornherein schlechtere Chancen, an die eigene Kulturförderung heranzukommen. Das halte ich für höchst kurzsichtig und frage mich, warum das Kulturministerium und auch die Filmwerkstatt Kiel diesen Faktor nicht mitbedacht haben.
Der Grund also, warum derartige Entwicklungen nicht erkannt werden, könnte in der inzwischen eklatant großen Lücke zwischen Ministerium, Filmwerkstatt Kiel und den Filmschaffenden im Land sein. Hier wird klar an den Bedürfnissen der hiesigen Szene vorbei agiert und Tatsachen geschaffen, gegen die sich die Filmszene nicht wehren kann.
Zum Hintergrund: Die Kulturabteilung des Bimi.SH und die Filmwerkstatt Kiel sind die wichtigsten Vertreterinnen für die Filmschaffenden aus Schleswig-Holstein bei der FFHSH. Eine weitere Beteiligung, zum Beispiel durch einen Runden Tisch oder einen Beirat, gibt es in Schleswig-Holstein nicht, was dringend geändert werden sollte.
Änderung der Richtlinien: Intransparenter Prozess
Trotz der Beteuerung, Produzent*innen aus Schleswig-Holstein bei diesem Prozess mit einbezogen zu haben, war der gesamte Prozess zur Änderung der Richtlinien eher intransparent. Das macht sich zum einen daran fest, dass Geschäftsführer Helge Albers an diesem Abend nur auf Nachfrage auf die besonderen Strukturen in Schleswig-Holstein eingeht und insgesamt fast eine Stunde lang über Millionen-Budgets und große Produktionen gespricht. Einen Partner, der die Filmschaffenden in Schleswig-Holstein voranbringen will und die Bedürfnisse kennen muss, stellt man sich als Zuhörerin etwas anderes vor. Die Veranstaltung war daher eher verunglückt.
Hinzu kommt, dass der größte Interessenverein des Landes, Filmkultur Schleswig-Holstein e.V., von dieser Beteiligung nichts wusste. Man hatte sie schlichtweg nicht gefragt. Von einer echten Beteiligung eines so existenziell wichtigen Themas für die Produzent*innen aus Schleswig-Holstein ein wirklich starkes Stück. Und das in einer Zeit, in der Bürgerbeteiligung zu einem wichtigen politischen Instrument geworden sind und Top-Down-Entscheidungen eher aus der Zeit gefallen sind.
Hier hätte man zumindest eine Veranstaltung der Filmwerkstatt Kiel erwartet, die die Bedürfnisse und Wünsche aller Filmschaffenden zumindest einmal angehört hätte. Die Hoffnung, dass nach der eher unglücklichen Fusion vor 11 Jahren das gegenseitige Vertrauensverhältnis zwischen den beiden Ländern wieder aufgebaut werden würde, ist wieder in weite Ferne gerückt.
Weiterbildung und Ausbildung am Standort Kiel
Was Helge Albers an diesem Abend verspricht ist ein stärkerer Fokus auf Aus- und Weiterbildung am Standort Kiel. Der Fachkräftemangel betrifft nicht nur Schleswig-Holstein, sondern auch Hamburg und ganz Deutschland. Vor allem Fachkräfte wie Produktionsleitungen, Aufnahmeleitungen oder auch Tonmeister*innen werden händeringend gesucht. Wird man daher bald eine Fortbildung zur Produktionsleiterin in Kiel machen können, die mit einer IHK-Prüfung abgeschlossen wird? Und wo kommen die praktischen Erfahrungen an hochprofessionellen Sets her, wenn Produktionen, die in Schleswig-Holstein drehen, weiterhin ihre eigene Crews komplett von zu Hause aus mitnehmen? Fragen, die die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein 2020 und 2021 beantworten muss, möchte sie dieses Versprechen an die Filmschaffenden halten.
Kleinstproduktionen unerwünscht: Sorge um den kulturellen Film SH
Für Kurzfilm- und Webvideoproduzent*innen sowie Macher*innen innovativer Medienformate wie Virtual Reality, 360 Grad-Filme und Augmented Reality, die vor allem am Standort Kiel ausgebildet und immer weiter professionalisiert werden, könnte das neue Gremium “Kurz und innovativ” eine Chance sein. Zumal die Vernetzungsmöglichkeiten mit den Hamburger Macher*innen dieser Formate wesentlich einfacher sind, als mit den großen Produktionen á la Till Schweiger. Die Filmwerkstatt Kiel sollte sich hier aktiv einbringen und auch die Vernetzung mit den Hochschulen beider Länder vorantreiben, aus denen vor allem im innovativen Bereich die meisten Impulse kommen. Auch eine gemeinsame Konferenz beider Standorte in Kiel wäre denkbar, um die hiesige Wirtschaft und Wissenschaftskommunikation für innovative Formate zu begeistern.
Für den klassischen kulturellen Film jedoch könnten düstere Zeiten anbrechen. Die Kleinstproduktionen, also Crews, die oft nur aus zwei oder drei Menschen bestehen, leisten seit über 30 Jahren einen wertvollen Beitrag, um die Kultur und die Identität Schleswig-Holsteins in Form von Dokumentationen medial darzustellen und zu bewahren. Darunter könnte auch die Dokumentation der niederdeutschen Sprache, des Friesischen und der dänischen Minderheit leiden, die schon jetzt viel zu unterrepräsentiert in der filmischen Darstellung des Landes sind. Filme auf Niederdeutsch finden sich nach wie vor nur im Low- bis No-Budget-Bereich.
Zu dieser Entwicklung passt auch das “flapsige” Abstoßen des Filmfest Schleswig-Holstein durch die Filmwerkstatt Kiel, das bisher der wichtigste Spielort dieser Art von Low-Budget-Dokumentationen war. Müssen sich nun diese Kleinstproduktionen im Gremium “Director’s Cut” mit Produzent*innen messen, die mit weitaus höheren Budgets arbeiten und wenig Interesse an stark lokalen Themen wie dem Dorfleben in Dithmarschen haben, ist ein Ausdünnen dieser Szene und damit des kulturellen Films in Schleswig-Holstein zu befürchten. Für einige Filmproduktionen könnte das sogar das Aus bedeuten. Und damit würde ein Stück Kulturgut aus Schleswig-Holstein sterben.
Der liebe Kieler Tatort und die Fördergelder
Zum Schluss wurde auch der Kieler Tatort zur Diskussion gestellt. Durch eine politische Entscheidung existiert bei der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein ein Sonderkonstrukt, das Gelder, die vom NDR an die Filmförderung gehen, über den Tatort zurück an den NDR fließen lassen. Helge Albers betonte, dass es nicht originäre Aufgabe einer Filmförderung wäre, Tatorte zu fördern. Die Konstruktion ist jedoch historisch so verwachsen, dass es noch einige Zeit dauern würde, bevor sie aufgelöst sei. Daran arbeitet die FFHSH schon seit vier Jahren.
Dieses Budget von einer halben Millionen Euro könnte zweckgebunden zum Beispiel der Nachwuchsförderung zugute kommen. Zum Beispiel die von den Hochschulen geforderte Abschlussfilm-Förderung, die in Hamburg existiert, in SH aber noch nicht. Denkbar wäre auch eine Debutfilm-Förderung explizit für Filmschaffende mit SH-Bezug. Da viele Filmschaffende aus SH auf renommierten Filmhochschulen sind, wäre eine Art Rückkehrer-Förderung denkbar. In jedem Fall sollte sichergestellt werden, dass die Gelder, die jetzt in den Kieler Tatort fließen, nach Auflösung nach Schleswig-Holstein gehen, um hier wertvollen Strukturaufbau zu leisten und Jobs für Fachkräfte aus Schleswig-Holstein zu schaffen.
Eine andere Variante wäre, die Produktion des Kieler Tatort majoritär nach SH zu verlegen, wie es ursprünglich vorgesehen war, und dafür eine entsprechende Zulieferer-Struktur zu schaffen, die auch anderen Produktionen zu Gute kommt (Postproduction, Studio). In jedem Fall ist Musik in diesem Thema und sollte von Seiten SHs nicht aus den Augen verloren werden.
Diversität und grünes Drehen werden zur Pflicht
Zum Schluss möchte ich aber noch ein positives Feedback an die Filmförderung HSH geben. Die Verpflichtung zur Diversität und zum grünen Drehen ist ein richtiger, aber auch überfälliger Schritt. Auch die Filmbranche muss sich den sozialen und klimatischen Herausforderungen stellen.
Zudem ist die Erhöhung der Einreichtermine sowie eine Verschlankung des Antragsverfahrens zu begrüßen.
Wir werden sehen, wohin uns der Weg führen wird.