Halle/Saale zeigt, dass aus Worten Taten folgen können. Die Kieler Ratsversammlung stellt sich gegen rechte Rhetorik und antisemitische Verschwörungstheorien, die auch in Teilen der AFD verbreitet sind.
Sehr geehrter Herr Stadtpräsident, liebe Mitmenschen
Mit großer Erschütterung haben wir die Vorgänge in Halle/Saale verfolgt. Es wurde eine Grenze überschritten, die in angesichts der deutschen Geschichte nicht nur Ihnen, sondern uns allen Sorgen machen muss. Aus Worten sind Taten geworden.
Es ist nicht nur das Verbrechen selbst, dass wir zum Anlass nehmen, um mit dieser Resolution noch einmal deutlich zu machen, dass wir an der Seite unserer jüdischen Mitmenschen stehen. Es sind auch die Entwicklungen in den neuen Bundesländern. Wenn eine Partei mit teilweise menschenverachtenden Botschaften Wahlerfolge erzielt, dann müssen wir uns alle Gedanken darüber machen. Es ist die Vehemenz, mit der versucht wird, nationalsozialistische Sprache und Narrative wieder salonfähig zu machen.
Es sind Worte, die Taten folgen lassen. Die Sprache macht unser Denken möglich. Sie ist Mittel und Wirkung zugleich. Und es sind Geschichten, die uns führen. In der Religion, in der Politik, überall. Geschichten sind der Kern der Kultur. Aber sie werden missbraucht, immer wieder. Die Nazis haben nach der Machtergreifung bewusst das Kino vereinnahmt und Bücher verbrannt, die nicht im Sinne des NS-Ideologien waren.
Und auch die AFD streut in den Sozialen Medien und in ihren Reden ein menschverachtenes Narrativ. Sie bestärkt Menschen in ihren Vorurteilen und füttert diese weiter an. Warum? Es geht um Macht. Es ist ein eiskaltes Kalkül. Es ist eine Machtstrategie auf dem Rücken all derjeniger, die Gegenstand dieser Lügen und Verschwörungstheorien sind.
Um es in den Worten von Konstantin Wecker zu sagen:
“Im Nationalismus liegt keine Freiheit. Der Nationalismus ist der Anfang vom Ende der Freiheit. Freie Menschen brauchen keine Krücken, die aus geschichtsvergessener Dummheit geschnitzt sind.”
Wir dürfen als Zivilgesellschaft nicht den Fehler machen, die zunehmende Radikalisierung zu ignorieren. Marina Weisband sagte auf der Bundesdeligiertenkonferenz der Grünen am Wochenende: „Halle/Saale war für euch eine Zäsur, für uns nur eine Frage der Zeit.“
Haben wir zu lange weggeschaut? Haben wir nicht oft genug Nein gesagt? Nehmen wir es immer noch zu leicht hin, dass Menschen in unseren Land nicht nur diskriminiert, sondern auch bedroht und ermordet werden? Diese Fragen müssen wir uns stellen, denn nur wir, die offene, freie und vielfältige Gesellschaft, sind diejenigen, die diese unheilvollen Entwicklungen aufhalten können. Wir sind diejenigen, die Nein! Sagen müssen.
Und ich kann Ihnen sagen – und damit richte ich das Wort direkt an Sie – wir sagen Nein. Wir sagen Nein zu diesem menschenverachtenden Gedankengut, das Sie hier im Ratssaal in Ihren Reden verbreiten. Wir sagen Nein zu dieser Rhetorik, die nichts in unserer Mitte zu suchen hat. Wenn Sie glauben, Sie könnten sich hier als ganz normale bürgerliche Partei verkaufen können, dann haben sie sich verkalkuliert.
Es war ihr Bundestagsmitglied Alexander Gauland, der den Nationalsozialismus als einen Fliegenschiss der Geschichte bezeichnet hat. Der deutsche Nationalsozialismus war die monströse Tyrannei, die Europa überfallen und Millionen Menschen auf dem Gewissen hat. Sie gehört – Zitat Churchill – zum dunklen, beklagenswerten Katalog menschlicher Verbrechen.
Sie fragen uns, was unsere Leitlinie ist?
Zu kämpfen, zu kämpfen in unseren Gemeinden, in unseren Schulen und in unseren Kneipen und Sie mit ihrer menschenverachtenden Rhetorik nicht mehr zu Wort kommen zu lassen. Wir sagen Nein! Wir werden unsere freie, vielfältige und offenen Gesellschaft gegen Ihr Weltbild verteidigen.
Was unser Ziel ist?
Zu gewinnen! Zu gewinnen mit unserem Zusammenhalt, mit unserer Liebe, mit unserem Respekt vor jedem Menschen.
Und verstehen Sie mich nicht falsch. Damit ist nicht die Toleranz der Intoleranz gemeint. Intoleranz verdient keinen Respekt!
In dieser Zeit, in der wir alle zusammenhalten müssen um gemeinsam die vielen Herausforderungen zu bewältigen, können wir Sie als Spalter nicht gebrauchen. Hören Sie auf, unsere politischen Gremien mit ihrer rechten Ideologie in Geiselhaft zu nehmen. Denn mit Ihrem Gedankengut gibt es kein Vorankommen. Mit ihrem Gedankengut gibt es keine Zukunft. Im Gegenteil. Ihr Gedankengut verletzt und tötet Menschen.
Ich kann nichts dagegen tun, dass Sie sich so verirrt haben. Ich kann nur hoffen, dass sie die Augen öffnen und verstehen, dass Hass zwar ein starkes Gefühl ist, aber bei näherer Betrachtung vollkommen leer. Ich kann nur hoffen, dass sie Ihre Einsamkeit erkennen. Und wenn Sie das erkennen, sind Sie herzlich willkommen, zu uns zurück zu kehren.
Gott lehrt uns, dass Liebe ewig und bedingungslos ist. Ich hoffe, dass Sie das eines Tages erkennen.
Denn solange wir lieben, solange wird der Hass nicht siegen.