Sehr geehrter Herr Stadtpräsident, liebe Mitmenschen,
wie in meiner Eingangsrede erwähnt gibt es in diesem Aufgabenbereich sehr viel zu sagen. Doch die Situation gebietet es leider, hier einige Abstriche zu machen. Daher möchte ich mich vor allem auf die Familien und die Frauen konzentrieren.
Es ist in diesem Jahr sehr viel über Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene gesagt worden und auch nicht gesagt worden, was mich sehr nachdenklich gemacht hat.
Das Motto “Frauen und Kinder zuerst” scheint vor allem in den höheren Entscheidungskreisen bei weitem weniger Priorität zu haben, als Fluggesellschaften, Fußball und Spanienreisen.
Das mag vor allem damit zusammenhängen, dass Kinder keine Lobby haben. Politische Entscheidungen werden aus der Sicht der Erwachsenen gemacht, vor allem aus der Sicht der männlichen Erwachsenen. Und zurecht hat der Junge Rat in der letzten Ratsversammlung darauf hingewiesen, dass wir uns mehr um die politischen Belange von Kinder und Jugendliche kümmern müssen.
Allein der Vorwurf, Kinder wären Infektionstreiber*innen, ist vollkommen aus der Luft gegriffen, wie inzwischen mehrere Studien belegen. Im Gegenteil verhalten sich die meisten Kinder und Jugendlichen in Kiel vorbildlich. Sie sind es, die schon in jungen Jahren viel Verantwortung übernehmen müssen und dafür große Einschränkungen hinnehmen. Und das in einer Lebensphase, in der das In-die-Welt-hinausgehen und Dinge-entdecken existentiell wichtig für ihre Persönlichkeitsentwicklung ist.
Nicht zuletzt offenbart sich ein deutlicher Generationskonflikt.
Auf der einen Seite die vor allem männlichen Vertreter der Boomer-Generation, die sich an vermeintlichen Freiheitsbegriffen und Wohlstandsmythen klammern, auf der anderen die Fridays For Future-Generation, die zurecht eine Veränderung in der Wirtschafts- und Klimapolitik fordert und sich nicht gehört fühlt.
Kiel ist mit dem Jungen Rat bereits in einer Vorreiterrolle, doch die Beteiligungsmöglichkeiten müssen weiter ausgebaut werden.
Darum wollen wir 2021 die Bürgerbeteiligungsrichtlinie erweitern, um hier die Beteiligungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen zu verbessern. Auch das Thema Medienkompetenz muss weiter vorangetrieben werden, was auch einen besseren Zugang zu digitalen Endgeräten bedeutet. Nicht zuletzt packen wir mit der Ernährungsbildung in KITAs ein wichtiges Klimaschutzthema im Bereich Bildung an.
Auch müssen wir daran arbeiten, dass Kinder und Jugendliche gut in unserer Stadt aufwachsen und Angebote auch außerhalb der Schule finden. Darum ist es richtig, hier die Angebote weiter auszubauen, was wir mit unseren vorliegenden Anträgen tun wollen.
An dieser Stelle möchte ich auch nochmal das Krisenmanagement der Verwaltung hervorheben. Hier haben die Mitarbeitenden der Stadt eine hohe Sensibilität für die Belange von Kindern und Jugendlichen gezeigt.
So wurde zum Beispiel während des Frühjahr-Lockdowns die Notbetreuung auch auf Kinder mit besonderen Förderbedarf ausgeweitet, um die Entwicklung dieser Kinder nicht zu gefährden. Der Kinderschutz wurde in Zusammenarbeit mit der Polizei und den allgemeinen sozialen Diensten in hohem Maße weiter gewährleistet. Nicht zuletzt haben die Mädchen- und Jugendtreffs mit vielen kreativen Ideen den Kontakt mit den Kindern und Jugendlichen gehalten und haben sich proaktiv um Probleme gekümmert. Dies sind nur einige Beispiele für die großartige Arbeit, die hier geleistet wurde.
Neben den Kinder und Jugendlichen sind es aber auch die Frauen, die die Hauptlasten dieser Krise tragen. Aus den drei K sind die drei H geworden: Homeoffice, Homeschooling, Haushalt. Zudem sind es vor allem Frauen, die auf den Intensivstationen, in den Laboren, den Gesundheitsämtern, KITAS und Altenheimen Höchstleistungen zu niedrigen Löhnen leisten müssen. Hier zeigt sich, wie wichtig die Gleichstellung ist und dass wir noch lange nicht da sind, wo wir sein müssten.
Die Folgen dieser fehlenden Parität sehen wir an allen Ecken. Denn natürlich hat es mit fehlender Gleichstellung zu tun, dass die Berufe, die vorwiegend von Frauen ausgeübt werden, schlechter bezahlt sind. Das gilt nicht nur für die Pflege, sondern auch im Kita-Bereich, wo wir einen akuten Fachkräftemangel haben.
Und nun sind wir in einer Situation, in der wir eigentlich über höhere Löhne sprechen müssen, aber niemand das Thema mehr anfassen will, weil nach dem ersten Applaus allen bewusst geworden ist, dass das sehr viel Geld kosten wird.
Und wir als Kommune sind die ersten, die mittelfristig betroffen sind, wenn unsere Krankenhäuser und Pflegeheime nicht mehr funktionieren und unsere Kinder nicht mehr betreut werden können.
Wenn für die Rettung einer Fluggesellschaft oder den Kohleausstieg mehrere Milliarden Euro locker gemacht werden können, dann müssen diese Milliarden auch für einen umfassenden Umbau unserer sozialen Strukturen vorhanden sein. Mir kann keiner erzählen, dass das, was die Skandinavier hinbekommen, in Deutschland nicht möglich wäre.
Es werden halt nur andere Prioritäten gesetzt und das muss sich dringend ändern.
Der soziale und medizinische Bereich wird uns als Ratsversammlung 2021 besonders stark beschäftigen. Es gibt viel zu tun.