Wie können wir unsere Innenstädte und kleinen Läden unterstützen und gleichzeitig das Klima schützen. Die Lösung kann eine kommunale Verkaufsplattform sein.
Stationär, online, beides?
Jahrelang wurde der Online-Handel im traditionellen Handel wie ein Stiefkind behandelt. Es schien so, als müsse man sich immer für eine Seite der Macht entscheiden. Entweder war man als Händler*in auf der guten Seite oder eine Online-Handlung, die den stationären Handel schaden wolle.
Ich glaube dieses Misstrauen ist auch ein bisschen der Historie geschuldet. Zum einen hat das Internet in seiner Frühform großen Flurschaden in der Musikindustrie und den Printmedien angerichtet. Zum anderen war es Amazon selbst, die mit aggressiven Kampagnen Buchkäufer*innen dazu gebracht hatten, ihre Bücher nur noch beim Onlineriesen zu kaufen. Und auch heute ist das Risiko einer Monopolisierung einzelner Mitbewerber hoch, woran auch der sogenannte Netzwerk-Effekt Verantwortung trägt.
Omni-Channel-Marketing – also der Vertrieb online und offline – blieb daher bis 2020 ein Nischenprodukt, das vor allem von neu gegründeten Ladengeschäften und großen Ketten betrieben wurde – wenn auch sehr spät, wie das Beispiel Saturn-Mediamarkt zeigt.
Google? Warum wir eigene Lösungen brauchen
Und dann kam Corona. Zugeben, eine solche Krise hätte sich niemand so ausmalen können. Doch letztendlich beschleunigte sie auch nur einen Trend, der bereits am Laufen war. Kund*innen kaufen ihre Waren nicht mehr ausschließlich stationär – und andersherum übrigens auch nicht ausschließlich online.
Der Deutsche Handelsverband versucht nun mit einem Programm und in Zusammenarbeit mit Google und anderen Partnerinnen dem entgegen zu steuern. Was ich für richtig halte ist, dass Einzelhandelskaufleute auch Kaufleute für eCommerce werden müssen. Doch der Schönheitsfehler des vorgestellten Programms ist das Versprechen, die Ladenbesitzer*innen hätten damit wenig Arbeit. Zudem soll jeder Laden einen eigenen Onlineshop umsetzen. Davon rät zum Beispiel das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Handel aus Berlin ab.
In Frage stellen möchte ich auch, ob es ratsam ist sich noch abhängiger von Internetriesen wie Google zu machen, die natürlich ein geschäftliches Interesse an der Abhängigkeit der kleinen Unternehmen und damit auch der Städte haben, die den Einzelhandel brauchen. Daher sollten Kommunen auch hier ähnlich vorgehen wie bei der Open-Source-Strategie des Landes Schleswig-Holstein. Diese soll die Abhängigkeit des öffentlichen Sektors von ClosedShop-Software wie Microsoft entgegenwirken und gleichzeitig Aufträge für Entwicklerbüros aus der Region möglich machen.
Denn Google ist alles andere als „Don‘t be evil“. Das sieht man z.B. am Geschäftsgebaren von Google im Bereich Smart City in den USA und Kanada, wo das Unternehmen durchblicken lässt, dass es ihm nicht um einen gemeinwohlorientierten Aufbau geht, sondern um das Erschließen neuer Geschäftsmodelle in Bereichen, die heute der breiten Öffentlichkeit gehören.
Warum nicht jeder Laden einen Onlineshop braucht
Was bedeutet es eigentlich einen eigenen Onlineshop zu betreiben? Reicht es wirklich, dass man eine technische Lösung bekommt und dann sorgenfrei in die Zukunft startet? Die Antwort ist eindeutig nein.
Wer einen Onlineshop betreibt, muss neben der technischen Administration dafür sorgen, dass er gesehen wird. Das ist im Internet nicht so leicht wie in der Ladenzeile, denn online müssen Kund*innen gezielt danach suchen. Damit aber noch nicht genug. Sucht man bei Google nach Produkten, so wird die Person vor allem diejenigen Shops finden, die sehr viel für ihre Sichtbarkeit tun, vor allem Amazon.
Einem kleinen Laden bleibt daher nichts anderes übrig, als über die Sozialen Medien Werbung für seine Produkte zu machen. Und genau hier fängt das Problem an: Diese Werbung muss regelmäßig gemacht werden, man muss Beziehungen zu Influecern aufbauen, muss die Klickwege der Kund*innen optimieren und so weiter. Das Versprechen des Handelsverbandes, mit ein bisschen Fortbildung wäre alles getan, ist daher schlichtweg falsch.
Das Internet und die Regionalität
Jeder Mensch kennt eBay. Und sehr viele Menschen haben bestimmt schon mal etwas bei eBay verkauft. Warum? Weil man dafür nicht viel tun muss außer ein Konto anlegen, ein Bild machen, den Artikel beschreiben und am Ende zur Post gehen. Amazon hat dieses Geschäftsmodell weiter ausgebaut und bietet einen professionelle Marktplatz für Drittanbieter an. Die Reichweite, die Amazon hat, lässt sich das Unternehmen natürlich gut bezahlen und nutzt seine quasi Monopolstellung bis zum letzten Zentimeter aus. Dafür kümmert Amazon sich um alles, um die Listung in den Suchergebnissen, die Zahlungsabwicklung und die Logistik.
Was wäre also, wenn man als Kommune einen solchen digitalen Marktplatz aufbaut, in den die Einzelhändler*innen nur noch ihre Produkte einpflegen müssen. Die Plattform sorgt für die Zahlungsabwicklung und bietet ein Logistiknetz an, über das die Artikel abholt und zu den Kund*innen im Stadtgebiet gebracht werden.
Das hat sehr große Vorteile auch für den Klimaschutz.
Kurze Wege und nachhaltige Logistik
Denn bei allem, was wir tun, müssen wir uns immer fragen, warum wir es tun. Das gilt vor allem für den Technologischen Wandel. Der stationäre Einzelhandel sowie regionale Produzent*innen sind der Schlüssel für eine nachhaltige, unabhängigere und klimafreundliche Wirtschaft.
Und wenn wir die digitale Transformation unserer Kieler Läden erfolgreich vorantreiben wollen, dann müssen wir diese Frage nach dem „Warum“ adäquat beantworten. Daher möchte ich drei wesentliche Aspekte für den Klimaschutz bei dem Konzept einer kommunalen Verkaufsplattform herausstellen:
- Vermeidung von Verkehr durch Nahversorgung und kurze Wege
- Onlinehandel mit klimaneutralem Logistiknetz
- Eine Seite, ein Suchergebnis
Nahversorgung ist Klimaschutz
Unser Einzelhandel ist wichtig. Er ist sozial wichtig, für unseren Tourismus wichtig und auch für den Klimaschutz. Die klimafreundliche Stadt sieht eine Stadt der kurzen Wege vor, in der jeder Artikel des täglichen Bedarfs zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichbar ist. Gekoppelt sein muss das natürlich auch mit einem regionalen Sortiment, bei dem möglichst viele Produkte aus der Region sind und nicht aus Übersee eingeflogen werden.
Klimaneutrale Logistik
Ein weiterer entscheidender Nachteil von Onlineshops ist, dass jedes Produkt einzeln geliefert wird und das in der Regel über einen großen Paketservice. Online-Käufer*innen neigen dazu mehrere Produkte von mehreren Händler*innen zu bestellen. Das Verkehrschaos kann man sich ausmalen. Eine kommunale Verkaufsplattform würde die Möglichkeit eröffnen, diese Logistik ökologisch und ökonomisch effizient zu gestalten, indem alle Produkte eingesammelt werden und über effizient gestaltete Lieferwege bei den Kund*innen ankommt.
Das Ganze kann dann mit Lastenrädern und/oder elektrischen Lieferfahrzeugen umgesetzt werden, die natürlich so klein sind, dass sie nicht ganze Straßen oder Fahrradwege blockieren.
Eine Suche ein Suchergebnis
Die Bündelung aller Angebote auf einer Seite führt dazu, dass nur für diese eine Seite kollektiv Werbung gemacht werden muss. Ist die Seite bekannt, so besuchen Kieler*innen sie und shoppen darauf so, wie sie es von Amazon gewohnt sind. Gleichzeitig steigt das gute Gefühl, etwas für die eigene Stadt und das Klima getan zu haben, denn nur wer lokal kauft, erhält auch die lokale Einzelhandelsstruktur.
KielhilftKiel als Vorbild
Natürlich habe ich mir das nicht alles aus den Fingern gesogen. Den Grundstein hat die Aktion „KielhilftKiel“ gelegt, mit der Kieler Jungunternehmen den lokalen Einzelhandel und die Gastronomie während des Lockdowns unterstützt haben. Darum werden wir als Ampel-Kooperation zur nächsten Ratsversammlung am Donnerstag einen Antrag dazu stellen, um diese Idee zu einem kommunalen Marktplatz auszubauen. Dies könnte zum Vorbild auch für andere Städte werden.
Bild: Photo by Ashim D’Silva on Unsplash