Vergangenen Dienstag stellte die Kieler Verwaltung ihr Konzept für eine geschlechtergerechte Sprache im Innen- und Umweltausschuss vor. Der erste Schritt hin zu einer vielfältigen Sprache in der Verwaltung ist damit gemacht.
Ein Antrag, ein Eigentor
Vor mehr als einem Jahr legte die AFD eine “Resolution gegen das Gendern in der Verwaltungssprache” vor und hatte ihre Rechnung ohne den Wirt gemacht. Denn mit unserem Alternativantrag wurde die Einführung der gendergerechten Sprache mit den Stimmen von SPD, Grüne, FDP, Linke, SSW und die Fraktion am 21.02.2019 beschlossen. Damit hatte sich die AFD ein Eigentor geschossen.
Sprache ist Haltung
Zusammen mit der Agentur fairlanguage wurde ein Jahr lang ein Konzept erarbeitet. Denn die gendergerechte Sprache ist Neuland und hat deshalb noch kein einheitliches Regelwerk. So wird das Gendersternchen zwar am häufigsten genutzt, jedoch auch andere Varianten sind möglich, wie das Beispiel der Stadt Lübeck zeigt, die sich für den Doppelpunkt entschieden haben.
Warum wartet eine Stadt wie Kiel dann nicht einfach ab, bis die gendergerechte Sprache offiziell Teil der deutschen Grammatik geworden ist? Weil Sprache so nicht funktioniert. Der Duden dokumentiert Konventionen, die sich durch Gebrauch durchgesetzt haben. Sprache ist lebendig. Und gerade bei komplizierten Entwicklungen wie zum Beispiel der Herstellung von Diversität können staatliche Institutionen dabei helfen, Vorurteile abzubauen und – ja – auch Machtverhältnisse in Frage zu stellen. Denn eine historisch gewachsene, männliche Sicht auf die Dinge hat es naturgemäß schwerer zu erkennen, dass etwas, was sich normal anfühlt, ungerecht sein könnte.
Sprache wächst in der Gemeinschaft, die sie spricht. Sie spiegelt ihre Haltung zu den Dingen wieder. Darum ist es wichtig, unsere Sprache wie uns selbst immer wieder zu hinterfragen.
Sensibilität und Professionalität
Die Vorlage der Kieler Verwaltung ist deswegen so gut gelungen, weil sie bei der Entwicklung versucht hat, alle Mitarbeitenden mitzunehmen. So haben zwei Workshops stattgefunden, in denen mit hoher Sensibilität das Thema sowie die Vorbehalte gegen die gendergerechte Sprache diskutiert wurden. Das Papier ist dabei keine Anweisung von oben, die jetzt anordnet, wie alles zu schreiben wäre. Im Gegenteil. Zum einen ist die gendergerechte Sprache eben noch kein festes Regelwerk, weswegen Experimente und Ausprobieren schon allein deswegen notwendig sind. Im Sinne einer modernen Verwaltung werden nun im weiteren Prozess die Mitarbeitenden auf dem Weg zu einer gendergerechten Sprache mitgenommen. Diese Unaufgeregtheit und Professionalität hilft hoffentlich dabei, das Thema aus der starken Polarisierung herauszuholen, die im Moment in der Öffentlichkeit vorherrscht.
Insbesondere die Vorstellung, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt und sich Menschen als nichtbinär empfinden bzw. intersexuell sind, führt noch immer zu Irritationen in der Bevölkerung. Das ist auch eines der Gründe, warum nicht verstanden wird, warum diese dritte Option mit dem Sternchen gemeint ist – also “Kieler*innen” – aber bei der binären Schreibweise ausgeschlossen ist – “Kieler und Kielerinnen”. Hier muss noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden.
Diversität muss mehr als ein Lippenbekenntnis sein
Aber auch darüber hinaus muss die Kieler Ratsversammlung die Diversität noch stärker leben. Denn werfen wir einen Blick zum Beispiel auf die Preisträger*innen der Stadt, wie der Andreas-Gayk-Medaille, den Kultur- und Wissenschaftspreis und vielen anderen Auszeichnungen, so sind wir von einer paritätischen Verteilung der Preise noch weit entfernt. Auch die Podien bei den städtischen Veranstaltungen inklusive der Kieler Woche werden weiterhin von (weißen) Männern dominiert. Veränderung beginnt dort, wo junge Mädchen weibliche Vorbilder auf den Podien sehen und lernen, dass sie das auch schaffen können.
Wir Grünen werden im Rat weiter dafür kämpfen.
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