Für Kinder und Jugendliche ist der Umgang mit Bildern und Videos in den sozialen Medien und auf Youtube selbstverständlich. Auch die Rezeption von Filmen, Serien und Videos nimmt einen großen Teil in unserem Alltag ein. Darum wird die LAG Kultur auf unserem Landesparteitag Ende Oktober einen Antrag zur Medienkompetenz durch schulische und außerschulische Filmbildung stellen.
Film als Kulturmedium des Alltags
Wer Digitalisierung sagt, der muss Multimedia mitdenken. Kein Kulturmedium wird so häufig und durch alle Bevölkerungsschichten hindurch rezipiert, wie der Film bzw. das Webvideo. Insgesamt fünf Stunden pro Tag konsumieren Menschen ab 14 Jahren bewegte Bilder. Filme haben damit einen erheblichen Anteil daran, wie wir unsere Welt wahrnehmen und verstehen.
Das gilt auch für Kinder und Jugendliche. Gerade durch die immer stärkere Ausrichtung des Internets auf Videoformate und die leichte Verfügbarkeit über alle Geräte hinweg, findet Wissensbeschaffung und Unterhaltung bei Schüler*innen heute oft über Youtube und andere Kanäle statt. Statt ein Buch zu lesen, wird ein Tutorial über Integralrechnung angeschaut. Die audiovisuelle Aufbereitung ist für das Verständnis der Inhalte oft leichter zugänglich als ein Text.
Filme können uns außerdem beibringen, uns in die Situation von anderen Menschen hineinzuversetzen und damit auch unser eigenes Handeln zu hinterfragen. Sie lassen uns durch Filme wie “Schindler’s Liste” die Perversion des Antisemitismus nachvollziehen und regen zu Diskussionen über gesellschaftlich relevante sowie universelle Themen an. Der Film kann geschichtlich Relevantes für uns dokumentieren und uns zeigen, wie Menschen überall auf der Welt leben. Das gelingt dem Film durch seine stark immersive Wirkung, die es dem Zuschauenden erleichtert, sich in die Situation der Figuren hinein zu fühlen.
Auf der anderen Seite birgt das Videoformat auch Risiken, gerade wenn es um Identität, Weltbild und die Persönlichkeitsentwicklung oder auch die Meinungsbildung geht. Bei einer Omnipräsenz amerikanischer Hollywood Filme und Serien muss gefragt werden, wie stark ein amerikanisch geprägtes Weltbild verbreitet wird. Noch größer wird das Problem, wenn hinter der Erstellung und Verbreitung von Videos bestimmte politische Interessen stehen. Stark kritisiert sind hier Kanäle wie Russia Today und anderen tendenziösen Medien gerade weil sie den Zweck haben, die öffentliche Meinung zugunsten der politischen Akteur*innen zu beeinflussen. Um diese manipulativen Fähigkeiten von Bildern und Videos zu erkennen, braucht es eine Stärkung der Medienkompetenz. Ziel muss es sein Menschen dazu anzuhalten, Gesehenes zu hinterfragen, manipulierende Elemente zu erkennen und entsprechende Quellen zu überprüfen.
Youtube und Instagram: Video als Ausdrucksmittel von Kindern und Jugendlichen
Die Digitalisierung bedeutet auch, dass Videos heute leicht hergestellt und veröffentlicht werden können. Dazu braucht es nur ein Smartphone sowie einen Account in den Sozialen Medien, wie zum Beispiel bei Instagram oder Youtube. Gerade Youtube ist schon seit einigen Jahren fester Bestandteil der Jugendkultur. Youtube-Stars haben teilweise mehr Zuschauende als die öffentlich-rechtlichen Sender. Das Video ist zu einem Ausdrucksmedium geworden, mit dem Jugendliche ihre Ideen, Meinungen und Gedanken verbreiten. Dazu gehören auch Minivideoformate wie die Insta-Stories oder TikTok. Aber auch fiktive Formate wie Kurzfilme sind beliebt. Hier muss eine verstärkte pädagogische Begleitung geschaffen werden, damit Kinder und Jugendliche ihre technischen und gestalterischen Fähigkeiten im Bereich Video und Bild ausbauen können und auch rechtliche Fallstricke wie das Urheberrecht erlernen.
Was Filmemachen uns über Medienrezeption beibringt
Die beste Art und Weise Menschen beizubringen, welche Macht das bewegte Bild hat, ist es ihnen Material zu geben und die Aufgabe, es auf eine bestimmte Aussage hin zu schneiden. Ebenso die Art und Weise, wie ein Bild aufgenommen oder das Objekt inszeniert wird, spielt eine große Rolle bei der Interpretation des Gezeigten. Bei den amerikanischen Präsidenten kam es irgendwann in Mode, dass sie bei manchen Reden ihren Stab direkt hinter sich versammeln, vor allem wenn es um Zusammenhalt und gemeinsame Stärke geht. Es entsteht der Eindruck, dass alle hinter ihrem Präsidenten stehen und er dadurch ein starker Mann ist. Die Inszenierung von Bildern ist also nichts Zufälliges. Auch der Einsatz von Musik hat einen großen Einfluss darauf, in welchen emotionalen Kontext das Gezeigte gesetzt werden soll. Ebenso viel Einfluss hat die Montage der Bilder und vieles mehr.
Um dieses Bewusstsein für die Gestaltung von Bildern und Filmen bei Kindern und Jugendlichen zu stärken, kann das Anfertigen von Filmen helfen. Zudem unterstützt es Kinder und Jugendliche auch ihren eigenen Ausdruck zu entwickeln und so die Fähigkeit zu erhalten, ihre Meinungen und Ideen im Internet so zu vermitteln, dass ihnen andere dabei zuhören.
Das kann Filmemachen darüber hinaus
Der Film hat einen hohen integrativen Faktor. Denn Filme werden nicht alleine, sondern im Team produziert. Es braucht eine Regie, eine Kamera, jemanden, der sich um den Ton und das Licht kümmert und natürlich Schauspieler*innen. Nur, wenn das Team gut zusammenarbeitet, kann auch ein guter Film dabei heraus kommen. Ebenso gehören organisatorische Fähigkeiten dazu. Wo soll gedreht werden? Wer fragt nach, ob man den Raum nutzen kann? Wo bekommt man die Requisiten her? Wie soll der Dreh ablaufen? Wann werden welche Einstellungen gedreht?
Desweiteren spielt das Storytelling eine große Rolle, ein Softskill, der in vielen Berufen inzwischen gefragt ist. Es gilt die Botschaft auf den Punkt zu bringen und in dieser Beziehung ist der Film sehr streng. Denn im Gegensatz zum Text fordert er eine starke Konzentration auf die Dramaturgie. Wer es nicht versteht in einem Film die Erzählung voran zu treiben, hat seine Zuschauenden relativ schnell verloren.
Wie ist Schleswig-Holstein aufgestellt?
Die Antwort ist einfach. Absolut gut im außerschulischen Bereich, in der Schule aber mit starkem Nachholbedarf. Der Landesverband Jugend und Film macht seit 45 Jahren in Zusammenarbeit mit der Bildungsstätte Scheersberg hervorragende Arbeit und hat im gesamten Bundesgebiet Vorbildcharakter. Das führt auch dazu, dass Schleswig-Holstein auf die Bevölkerung gerechnet überdurchschnittlich viele Absolvent*innen von renommierten Filmhochschulen hat. Das Jugend-Film-Fest sowie der “Nur 48 Stunden”-Wettbewerb gehören zu den festen Terminen der jungen Filmschaffenden im Land. Allein beim “Nur 48 Stunden”- Wettbewerb nehmen rund 40 Filmteams aller Altersklassen aus ganz Schleswig-Holstein teil.
Doch im Bereich Schule sieht es schwieriger aus. Das Thema Film ist zwar in den Bildungsplänen vorhanden, doch in der praktischen Ausführung sind die Schulen noch immer darauf angewiesen, dass die Lehrenden das entsprechende Fachwissen selbst mitbringen und an ihrer Schule anbieten wollen. Eine richtige Integration der Filmbildung, wenn nicht gar der Medienkompetenz, findet noch nicht im ausreichenden Maße statt. Filmschaffende, die den Film an Schulen anbieten, sind zudem auf Projektförderungen angewiesen, die immer wieder einen Neustart erfordern, da nur neue Projekte gefördert und bewährte nicht institutionalisiert werden. Das IQSH arbeitet zur Zeit an einem Projekt, um es den Lehrenden zu erleichtern, das Schauen von Filmen im Unterricht anzubieten, indem auf einer Plattform entsprechende Vorschläge abgerufen werden können. Auch die Exkursion in eine Kinovorstellung, zum Beispiel im Rahmen der Schulkinowoche oder eines Filmfestivals, gestaltet sich als schwierig. Viele Lehrende geben an, dass die Lehrpläne zu wenig Platz für solche Aktivitäten lassen.
Warum der Antrag?
Mit unserem Antrag möchten wir auf der einen Seite die bereits bestehenden Angebote und Initiativen sowie den Landesverband Jugend und Film in seiner wertvollen Arbeit unterstützen. Zum zweiten muss ein bedeutendes Thema wie der Film und das Webvideo endlich zum selbstverständlichen Teil des Unterrichts werden. Die gesellschaftliche und meinungsbildende Bedeutung von Multimedia darf nicht unterschätzt werden. Der Bedarf wird mit der Zunahme der interaktiven und immersiven Medien noch weiter steigen. Zu den interaktiven Medien zählen zum Beispiel Videospiele bzw. Games. Unter immersive Medien fallen Virtual Reality und Augmented Reality. Im Gegensatz zum Film, hat der gesellschaftliche und wissenschaftliche Diskurs über diese beiden Arten von Medien noch gar nicht richtig begonnen. Daher ist es umso wichtiger, dass wir Schüler*innen zu Menschen mit starker Medienkompetenz machen. Und die niedrigschwellige Art das zu tun, ist das Filmemachen.
Bilder: stem.T4L / Unsplash , Alexander Ruoff, Marlena Wels, Luca Naujoks